ADHS: Was können Mikronährstoffe bewirken?


Mikronährstoffe haben eine bedeutende Rolle für den Hirnstoffwechsel

 

 

Shownotes

Eine Therapie mit Mikronährstoffen bei ADHS zielt darauf ab, den Hirnstoffwechsel zu verbessern. In diesem Podcast geht es um die Wirkungen von Mikronährstoffen in Bezug auf ADHS. Bestimmte Mikronährstoffe wie z. B. Eisen oder einzelne Aminosäuren sind essenziell für den Botenstoffwechsel, manche Mikronährstoffe haben eine Schutzfunktion für das Nervensystem etc. Welche Studien gibt es hierzu?

 


Mikronährstoffanalyse
https://www.diagnostisches-centrum.de/laborleistungen/dcms-profile.html

Info: ADHS und Mikronährstoffmedizin
https://www.diagnostisches-centrum.de/ads-und-adhs.html

Mikronährstoffdiagnostik bei ADHS:
https://www.diagnostisches-centrum.de/indikationen/ads-und-adhs.html

Schwermetallanalysen
https://www.diagnostisches-centrum.de/laborleistungen/schwermetallanalysen.html

Links zu den Studien
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29335588/?from_term=iron+adhd&from_sort=date&from_page=3&from_pos=4
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30690945/?from_term=iron+adhd&from_sort=date&from_page=2&from_pos=7
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29980754/?from_term=adhd+serotonin+hemoglobin&from_sort=date&from_pos=1
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30807974/?from_term=Magnesium+adhd&from_sort=date&from_pos=10
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25957927/?from_term=NAC+ADHD&from_sort=date&from_page=2&from_pos=5
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24292894/?from_term=tryptophan+adhd&from_sort=date&from_page=3&from_pos=7
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27990293/?from_term=adhd+B2+B6+norway&from_sort=date&from_pos=1
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31680604/?from_term=adhd++omega+3&from_sort=date&from_pos=4

 

 

Transkript

 

 

Musik


Moderator:

Sei doch endlich still, zapple nicht dauernd rum, hör mir endlich zu: Eltern mit hyperaktiven Kindern kommen oft an den Rand der Verzweiflung. Sie suchen natürlich auch nach Möglichkeiten, wie der Hirnstoffwechsel der Kinder auf natürliche Art und Weise verbessert werden kann. Und darum geht es in diesem Podcast. Es geht um Mikronährstoffmängel bei ADHS. Was sagt die Wissenschaft?

Herzlich willkommen liebe Zuhörer zum heutigen Podcast. Dr. Hans-Günter Kugler und ich Karin Großhardt freuen uns, dass Sie wieder zuhören.

Kommen wir zunächst zu der Frage, was eigentlich die Ursachen für ADHS sind.


Dr. Kugler:


Ja, die Ursachen und Entstehungsmechanismen von ADHS sind noch nicht vollständig geklärt. ADHS ist sicherlich eine multikausale Erkrankung, wobei hier genetische und verschiedene neurobiologische Erklärungsansätze eine Rolle spielen.


Moderator:

Bei ADHS soll das dopaminergen System gestört sein. Das liest man immer wieder. Was weißt du darüber?


Dr. Kugler:

Ja, man kann sagen, bei ADHS dürfte es sich vornehmlich um eine Störung des dopaminergen Systems handeln. Molekular- genetische Befunde deuten darauf hin, dass die Dopaminrezeptoren nicht genügend sensibel sind, und gleichzeitig die Inaktivierung dieses Transmitters verstärkt ist, so dass insgesamt eine Dopaminminderaktivität entsteht.

Allerdings sind die Ergebnisse neurochemische Studie nicht einheitlich. Weitgehend unstrittig ist, dass die Zahl der Dopaminrezeptoren vermindert ist.


Moderator:

Können auch andere Botenstoffe gestört sein?


Dr. Kugler:

Es gibt auch Hinweise auf eine Dysfunktion des noradrenergen und serotinergen Systems.


Moderator:

Und pathophysiologisch? Gibt es körperliche Anzeichen für ADHS?


Dr. Kugler:

Es gibt kernspintomographische Untersuchungen, und die haben ergeben, dass Personen mit ADHS im Durchschnitt ein reduziertes Hirnvolumen aufweisen. Betroffen sind der frontotemporale Kortex, die Basalganglien, der Corpus callosum und das Kleinhirn. Man muss aber sagen, diese Veränderungen sind nicht unbedingt typisch für ADHS, sondern werden auch bei Autismus-Spektrum-Störungen beobachtet.


Moderator:

Welche Risikofaktoren gibt es, die Entstehung von ADHS zu begünstigen?


Dr. Kugler:

Ja, z. B. Komplikationen während der Schwangerschaft und bei der Geburt. Z. B. Sauerstoffmangel, erhöhen das Risiko des Kindes, später an ADHS zu erkranken. Die Entwicklung und der Verlauf von ADHS werden natürlich auch durch familiäre und schulische Einflüsse beeinflusst. Zu den psychosozialen Risikofaktoren zählen z. B. eine unvollständige Familie, psychische Erkrankung eines Elternteils, familiäre Instabilität, niedriges Familieneinkommen, Inkonsequenz in der Erziehung etc. Weitere Risikofaktoren sind z. B. eine Belastung mit toxischen Chemikalien, wie z. B. mit Schwermetallen.


Moderator:

Sicherlich spielt hierbei auch die Ernährung eine große Rolle.


Dr. Kugler:

Auf jeden Fall. Meist wird kaum beachtet, dass auch die Ernährung eine zentrale Rolle für die Hirnleistungsfähigkeit, für die psychische Befindlichkeit sowie für das Verhalten spielt.

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Hirnleistungsfähigkeit in erheblichem Umfang von der Art der Ernährung beeinflusst wird, und zwar in jedem Lebensalter. Das wachsende Gehirn ist besonders empfindlich gegenüber Mikronährstoffdefiziten. Es kommt dann zu einer Verzögerung oder gar Einschränkung der kognitiven Entwicklung.

Es gibt auch zahlreiche Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen Mikronährstoffen und der ADHS-Symptomatik.


Moderator:

Wobei wir jetzt beim eigentlichen Thema wären. Gehen wir jetzt doch mal die Mikronährstoffe durch, die hier relevant sind.
Eisen z. B. Eisen ist ja nicht nur wichtig für den Sauerstofftransport in die Zellen, sondern hat ja auch zahlreiche andere Funktionen und soll für den Hirnstoffwechsel eine wichtige Bedeutung haben. Kannst du was dazu sagen?


Dr. Kugler:

Das kann ich – ja, Eisen ist von zentraler Bedeutung für die kognitive Entwicklung von Kindern. Eisen ist essentiell für den Neurotransmitterstoffwechsel, insbesondere auch für die Bildung von Dopamin und Serotonin.


Moderator:

Und damit auch für die Aufmerksamkeit und für das Wohlbefinden.


Dr. Kugler:

Genau, Eisen ist auch erforderlich für die Myelinsynthese, für die Ausbildung von Synapsen und Dendriten sowie für den Energiestoffwechsel der Nervenzellen.


Moderator:

Myelin ist die Ummantelung der Nervenbahnen. Da mag man sich als Laie gut vorstellen, dass eine Beschädigung dieser Bahnen das Nervensystem in seiner Funktion beeinträchtigt.


Dr. Kugler:

Genau, aber auch, wenn ich Synapsen der Nerven und Dendriten nicht richtig ausgebildet werden, dann können die Nervenimpulse nicht richtig von einer Nervenzelle in die nächste weitergeleitet werden.

Ja, zum Thema ADHS gab es einige interessante Studien in letzter Zeit: z. B. eine Studie aus Taiwan, einen systematischen Übersichtsartikel und eine Metaanalyse über die Eisenspiegel bei Kindern mit ADHS. Da kam dann raus, dass eine signifikante Assoziation bestand zwischen ADHS und Eisenmangel.

Dann eine Studie aus der Türkei, da hat man die Hepcidin-Konzentrationen untersucht. Das Hepcidin, das ist ein Protein, das für die Regulation des Eisenstoffwechsels eine wichtige Rolle spielt. Und die zentrale Aussage war, dass höhere Hepcidinspiegel, wie man sie bei ADHS Patienten gefunden hat, den Eisenstoffwechsel letzten Endes stören.

Dann noch eine Studie aus Taiwan: Dort konnte man nachweisen, dass ADHS mit allergischen Symptomen und niedrigeren Konzentrationen von Hämoglobin und Serotonin assoziiert waren.


Moderator:

Zink ist bekanntlich ein Cofaktor von über 300 Enzymen - ist also wichtig für zahlreiche Stoffwechselfunktionen. Warum ist Zink für`s Gehirn so wichtig?


Dr. Kugler:

Zink ist von zentraler Bedeutung für alle Entwicklungs-, Wachstums- und Regenerationsprozesse. Zink ist wesentlich für die Hirnentwicklung. Besonders der Hippocampus ist auf eine gute Versorgung angewiesen. Verschiedene Neurotransmittersysteme wie Glycin, GABA, Glutamat und Dopamin werden durch Zink moduliert.


Moderator:

Kannst du kurz noch mal auf die Effekte dieser genannten Neurotransmittersysteme eingehen?


Dr. Kugler:

Ja, Glycin ist ein sogenannter inhibitorischer Neurotransmitter -hat also eher eine dämpfende Wirkung, genauso wie GABA. GABA vermindert die Erregungsleitung. Glutamat ist das Salz der Glutaminsäure, und das ist ein sogenannter exzitatorische Neurotransmitter, also ein Neurotransmitter, der die Erregung fördert. Das Dopamin, das ist bekanntlich wichtig für Motivation, Kreativität und Aufmerksamkeit - also ein ganz wichtiger Nervenbotenstoff.


Moderator:

Gibt es über Zink und ADHS auch Studien?


Dr. Kugler:

Bei Patient mit ADHS wurden im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen wiederholt niedrige Zinkkonzentrationen nachgewiesen. Eine Zinksupplementierung verbesserte auch die Wirksamkeit von ADHS-Medikamenten.


Moderator:

Magnesium ist ja so eine Art Antistress-Mikronährstoff. Ein Magnesiummangel sollte man sicherlich vermeiden, wenn man für ADHS anfällig ist. Stimmt das?

Dr. Kugler:

Das stimmt im Grunde. Magnesium ist Cofaktor zahlreiche Enzyme. Es hat also auch Wechselwirkungen mit verschiedenen Rezeptoren, die die Neurotransmitter betreffen. Und insgesamt kann man sagen, dass Magnesium also für die Pathophysiologie von ADHS eine Rolle spielt. Das wurde auch in einer Metaanalyse von Forschern aus Taiwan bestätigt.
Es zeigte sich, dass Kinder mit der Diagnose ADHS niedrigere Serum- und Haar-Magnesiumspiegel hatten als Kinder ohne ADHS.


Moderator:

Aminosäuren, die spielen ja eine wesentliche Rolle für den Stoffwechsel der Botenstoffe. Kannst du uns dazu einiges sagen?


Dr. Kugler:

Das Tyrosin ist z. B. die Ausgangssubstanz für die Dopaminsynthese. Aus Dopamin entstehen dann wiederum Adrenalin und Noradrenalin. Tryptophan ist die Ausgangssubstanz für die Serotoninsynthese. Auch andere Aminosäuren wie Glycin und Taurin haben eine starke Beziehung zum Nervenstoffwechsel.


Moderator:

Sicherlich gibt es hierüber auch Studien.


Dr. Kugler:

Es gibt eigentlich wenige Studien über einen Zusammenhang zwischen Aminosäuren-Konzentrationen und ADHS. Daten aus einer Studie deuten darauf hin, dass der Wirkstoff N-Acetylcystein einen günstigen Effekt bei ADHS haben könnte. Das N-Acetylcystein ist eine antioxidative Verbindung und kann den oxidativen Stress vermindern. Und man weiß, dass ADHS mit einem oxidativem Stress einhergeht, und aus diesem Grund ist es auch schon naheliegend, dass N-Acetylcystein ein positiven Effekt hat.

In verschiedenen Studien wurde auch untersucht, wie sich eine Tryptophandepletion, also eine Tryptophanverarmung, bei ADHS-Patienten auswirkt. Das ist ein experimentelles Verfahren, mit dem man die Serotoninbildung im Gehirn vermindern kann. Und es kam also heraus, dass eine Tryptophandepletion bei jungen Menschen mit ADHS zu einer Zunahme von aggressivem Verhalten führt.


Moderator:

Welche Aminosäuren sollten denn jetzt bei ADHS supplementiert werden?


Dr. Kugler:

Das kann man eben nicht so einfach sagen. Dazu braucht man zunächst eine Aminosäuren-Analyse. Es gibt also kein einheitliches Defizitmuster bei diesen Patienten. Man kann natürlich rein biochemische Überlegungen anstellen, welche Aminosäuren sinnvoll sein könnten, aber das ist bei ADHS selten hilfreich.

Man kann auch nicht sagen, dass eine Supplementierung von Tyrosin zwangsläufig zu einem Anstieg der Dopaminkonzentration im Gehirn führt.


Moderator:

Welche Rolle spielen die Vitamine und Vitaminoide bei ADHS?


Dr. Kugler:
 
Ich würde sagen, besonders wichtig ist das Vitamin D. Es gibt inzwischen mehrere Studien, die einen Zusammenhang belegt haben zwischen Vitamin D und ADHS.

Vitamin D hat einen wichtigen Schutzeffekt gegen Entzündungen und oxidativen Stress. Vitamin D braucht man für die Bildung bestimmter Nervenwachstumsfaktoren. Und Vitamin D reguliert die Serotoninsynthese.

Dann kann man noch erwähnen, dass bei vielen psychiatrischen Erkrankungen ein oxidativer Stress nachgewiesen wurde - so auch bei ADHS. Aus dem Grund ist es eben wichtig, dass die antioxidative Kapazität bei diesen Patienten verbessert wird.


Moderator:

Dann sind natürlich auch die antioxidativen Mikronährstoffe wichtig, wie z. B. Vitamin C?


Dr. Kugler:

Genau. Vitamin C ist ja von zentraler Bedeutung für die antioxidative Kapazität, und man sollte also bei der Behandlung von ADHS unbedingt auch einen guten Vitamin-C-Status anstreben.


Moderator:

Welche B-Vitamine sollten bei einer Mikronährstofftherapie in Bezug auf ADHS berücksichtigt werden?
Dr. Kugler:

Da könnte man besonders auch Vitamin B6 erwähnen. Das hat verschiedene wichtige Funktionen im Nervensystem, z. B. Energiebildung, Neurotransmittersynthese oder die Hämproduktion.

Bei Kindern mit ADHS führte eine verminderte Serotoninbildung aus Tryptophan zu einer Verstärkung von Impulsivität und Hyperaktivität.

Wissenschaftler aus Norwegen haben dann auch 2016 publiziert, dass niedrige Konzentrationen der Vitamine B2, B6 und Folsäure mit der ADHS-Symptomatik assoziiert waren.


Moderator:

Welche Mikronährstoffe sind noch relevant?


Dr. Kugler:

Ja, man könnt noch Acetyl-L-Carnitin erwähnen. Das kann nämlich die Nervenimpulsübertragung beeinflussen, indem es die Bildung von Acetylcholin steigert und die Freisetzung von Dopamin verbessert.

Der Nutzen einer Supplementierung von Acetyl-L-Carnitin ist aber nicht eindeutig belegt.


Moderator:

Was ist mit den Fettsäuren?


Dr. Kugler:

Da gibt's einige Studien, die sie damit beschäftigt haben. Es wurde häufig eine gewisse Wirksamkeit gefunden, entweder bei Omega-3- oder Omega-Fettsäuren oder nur bei Omega-3-Fettsäuren.

Es ist aber grundsätzlich so, dass bei Studien zu ungesättigten Fettsäuren die Datenlage oft sehr uneinheitlich ist. Ich würde sagen: Sinnvoll ist eine Supplementierung von essentiellen Fettsäuren immer dann, wenn entsprechende Defizite labordiagnostisch nachgewiesen wurden.
Im Übrigen sollte ja auch immer auf eine Schwermetallbelastung geachtet werden, z. B. erhöhte Bleiwerte oder Quecksilberwerte. Die begünstigen auch ADHS.


Moderator:

Und die Mikronährstoffe im Blut sollten getestet werden bevor man willkürlich die Vitamine u& Co dem Kind gibt;
auch eine Schwermetallbelastung kann im Blut überprüft werden. Weiteres hierzu finden Sie auch in den Shownotes.


So liebe Hörer, soviel für heute. Bis zum nächsten Mal.


Moderator, Dr. Kugler:

Auf Wiederhören.


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